Kanō Tokinobu war der älteste Sohn von Kanō Yasunobu und gehörte damit zum innersten Kreis der allmächtigen Kanō-Schule des 17. Jahrhunderts. Er wurde Leiter des Nakabashi-Ateliers in der 2. Generation. Nichts von seinen wenigen überbliebenen Werken spricht dagegen, dass er zu einem der ganz großen Kanō-Meister hätte werden können. Doch sein Tod mit 37 Jahren beendete die vielversprechende Karriere.
Das Motiv des Affen, ist in der chinesischen Malerei vorbildhaft abghandelt worden. Gibbon-Malereien in Japan stehen mindestens indirekt mit Muqi (s. Bild links von Muqi 1210-1269) in Zusammenhang. Das Sujet des Affen der nach dem gespiegelten Mond greift wird, dann mit der Schiebetüren-Malerei von Hasegawa Tōhaku im Daitokuji-Tempel in Kyoto (s. Bild rechts) ein Orientierungsmoment in der japanischen Kunst
Das philosophische Thema, dass der Mensch die Wahrheit nicht erkennt, sondern glaubt, das Spiegelbild sei die Wahrheit, ist ein Topos, mit dem man auch im Westen seit Platos Höhlengleichnis vertraut ist. Tokinobu kannte sicher einige Vorbilder, doch er hat eine eigene konzise Formulierung gefunden: Der Affe sitzt gedrungen auf einem Baum und streckt seinen überlangen Arm nach unten zum Teich hin, wo sich der Vollmond spiegelt. Er schaut dabei nicht hinunter, sondern blickt den Betrachter an, als wollte er mit ihm über diese Mond-Erscheinung nachdenken. Auffallend ist auch, dass der Arm eher herunterhängt und nicht wirklich ausgestreckt ist. Das heißt: die Greifhaltung ist nicht sehr überzeugend. Rätselhaft ist auch die Haltung der Finger in der andern Hand. Es sieht aus, als wollte der Affe mit dem Zeigefinger auf etwas hindeuten. Hat dieses Bild also mit solchen Details nicht eine geheimisvolle eigene Aussage über das menschliche Wesen, das geneigt ist, den Widerschein für die Substanz zu halten.
Maße: 44cm x 173cm | Material: Papier