Guignard Kyoto Collection
Diptychon Fuji mit Seelandschaft | Shiba Kōkan 司馬江漢 | 1747-1818
Diptychon Fuji mit Seelandschaft | Shiba Kōkan 司馬江漢 | 1747-1818
Shiba Kōkan ist eine der eigenartigsten Persönlichkeiten der japanischen Kunstgeschichte. Er hat, fast schizophren anmutend, zwei vollkommen verschiedene Gesichter. Das eine gehört dem Holzschnittkünstler Suzuki Harushige. Diesen Namen erhielt er von seinem großen Lehrer Suzuki Harunobu, einem der grandiosen ukiyo-e Künstler seiner Zeit. Kōkan imitierte seinen Meister, und oft wurden (mit gefälschter Signatur) seine Holzschnitte für die seines Lehrers gehalten. Doch wegen seiner Holzdrucke hätte er nie aus der Vielzahl von ukiyo-e Grafikern seiner Zeit herausgeragt.
Dann gibt es aber sein anderes Gesicht: Eine Begegnung mit europäischer Malerei auf der quasi „Ghetto-Insel“ Deshima in Nagasaki erschütterte ihn dermaßen, dass er sich mit einer Intensität in die Studien europäischer Ölmalerei und Radierungskunst vertiefte, wie keiner seiner Zeitgenossen. Der vierzehn Jahre ältere Maruyama Ōkyō gilt als der Pionier der Assimilation westlicher Kunst im 18. Jahrhundert und hat virtuos Realismus, Perspektive und einheitliche Lichtführung in die japanische Kunst-Grammatik eingeführt. Kōkan war weniger diszipliniert (auch in manchen Bildern weniger geschickt) als das Genie Maruyama, dafür aber haben seine Bilder ein Leuchten, das ans Surrealistische grenzen kann. Das fast mediterran wirkende Blau dieser Bucht vor dem Götterberg Fuji hat man in der Kunstgeschichte noch nie so intensiv erlebt wie auf diesem Diptychon. Man ist an Bilder des Golfs von Capri mit dem Vesuv im Hintergrund erinnert. Doch die kleinen Matrosen auf den Schiffen bringen uns rasch zurück nach Japan.Eine Spezialität von Kōkan ist auch seine westliche Unterschrift – sie ist dekorativ und jedes Mal unverbindlich ein bisschen anders – auch in dieser Hinsicht ist er vollkommen ein Außenseiter.