Guignard Kyoto Collection
Kotobuki Kalligrafie mit Vogel 壽 | Koreanisch anonym | 19. Jh.
Kotobuki Kalligrafie mit Vogel 壽 | Koreanisch anonym | 19. Jh.
Koreanische Kalligrafien aus dem 19. Jh. (und früher) sind selten im Handel. Der Kalligrafiestil dieses Rollbilds hat etwas Volkstümliches an sich mit seiner Floskelhaftigkeit. Der Vogel links ist gleichsam nur eine Chiffre, wie man sie in der Malerei von Keramik-Gefäßen in verwandter Weise häufig findet. Spannend ist jedoch die Gegenüberstellung dieser Vogel-Formel mit dem höchst kunstvoll und raffinierten Schriftzug des Zeichens für „langes Leben“ (auf japanisch kotobuki).壽
Analysiert man dieses Zeichen, d.h. teilt man es in seine sechs verschiedenen Bestandteile auf, 士、つ、工、一、口、寸 realisiert man schnell, wie schwierig es ist, das Ziel zu erreichen, alle Teile in einem einzigen Atem und Pinselzug zu erfassen. Doch auch in anderen Malereien in diesem Stil zeigt sich, dass koreanische Kalligrafen nie Bedenken hatten, ein Zeichen zusammenzuziehen, Teile auszulassen oder mit freier Phantasie zu entwickeln. Es gibt Malereien von „100 kotobuki“ (gleichsam als grandioses Beglückwünschen), in denen das gleiche Zeichen bis zur Unkenntlichkeit variiert wird. Da ist das Zeichen plötzlich eine Gruppe von Vögeln, dann ein Bambushain, oder ein Blumenstrauß etc. - fast alles ist denkbar. Ein solcher Display von grenzenloser Phantasie scheint mir typisch für die nicht-akademische koreanische Kunst.
Ist man mit japanischer Kunst in allen Jahrhunderten vertraut, ist die Farbigkeit dieser Malerei mindestens so erfreulich und erfrischend wie dieser spezifische Umgang mit Kalligrafie. Das herrliche Dunkelblau, man möchte es „Preussisch-Blau“ nennen, kennt man in Japan erst im 19. Jh. in der Holzschnittkunst. In der Malerei ist es (mit der Ausnahme vielleicht von Shiba Kōkan) nicht vorhanden.
Bezaubernd ist ebenfalls das fast verblasste Rosa - und das alles auf einem herrlich „schmutzig“ wirkenden Grund, der mehr als nur als Bildbasis darstellt, sondern voller Leben ist mit all seinen Unreinheiten.
Das Bild wurde In Japan neu montiert. Einige dieser Kalligrafien existieren nur als lose Blätter und sind oft in deplorablem Zustand. Man wählte hier geschickt ein Dunkelgrün, das man in Japan selten verwendet, das aber umso überzeugender zum Farbenkanon dieser Kalligrafie passt.